Vanessa zeigt einer neuen Schülerin eine Karate Technik.

Die Senpai-Kōhai-Beziehung in den Kampfkünsten

Was macht eine gelingende Dōjō-Atmosphäre eigentlich aus? Dōjō-Gemeinschaft ist mehr als nur ein nettes Zusammentreffen von Leute die gerne ein wenig zusammen Sport machen wollen. Anders als man zunächst erwartet existiert in den klassischen Kampfkünsten ein relativ klares hierarchisches System, das sich nicht nur auf die Lehrer-Schüler-Beziehung beschränkt. Auch unter den Schülern gibt es ein klar differenziertes Beziehungsgeflecht, welches eine gelingende Lernatmosphäre für Alle Dōjō-Mitglieder schaffen soll. Die Rede ist von der Senpai-Kōhai-Beziehung.
Senpai und Kōhai sind zwei Begriffe, die relativ häufig in den klassischen japanischen Kampfkünsten verwendet werden. Auch im Westen haben diese beiden Begriffe Einzug in das Miteinander in den Kampfkunstschulen und –vereinen gehalten. Doch was steckt eigentlich genau dahinter?

Der Senpai (先輩) ist jemand, der bereits länger einer Organisation angehört als man selbst. Die Dauer der Zugehörigkeit hat generell Vorrang vor dem Lebensalter: Ein 20-Jähriger, der im zweiten Jahr in einer Firma arbeitet, ist der Senpai eines 30-Jährigen, der gerade anfängt. Das Gegenteil von Senpai ist Kōhai (後輩) also jemand, der nach einem selbst eingetreten ist.

Im Budō bezeichnet Senpai einen Schüler, der früher mit der Ausbildung angefangen hat. Das Wort beschreibt eine subjektive Perspektive: Mitschüler, die vor dem Schüler ihre Ausbildung begonnen haben, werden von diesem mit Senpai bezeichnet, jüngere dagegen mit Kōhai. Schlussendlich werden Schüler, die gleichzeitig mit ihm begannen, als Dōhai bezeichnet.

Ein Senpai hat im Budō eine gewisse Vorbildfunktion und sollte den jüngeren Mitschülern immer mit Rat und Tat zur Seite stehen, sich ihnen aber auch nie aufdrängen. Er gibt ihnen Orientierung und Ratschläge, übt eine Vorbildfunktion aus und übernimmt Verantwortung für seinen oder seine Kōhai. Der Kōhai kann sich auf die Hilfe des Senpai verlassen, dem er Respekt und einen gewissen Gehorsam schuldig ist. In Sportvereinen zum Beispiel übernehmen Kōhai die Aufräumarbeiten, die ihnen die Senpai delegieren.

Interessant ist auch, dass sich dieses System klar auf die jeweilige Schule beschränkt. Bin ich z. B. Senpai oder vielleicht sogar Sensei in einer Schule und entschließe mich dann einer weiteren Schule beizutreten und deren Stil zu lernen, werde ich automatisch zum Kōhai. Rang und Erfahrung im anderen System haben in diesem Moment keinerlei Bedeutung mehr.

Gegenseitige Achtsamkeit und Respekt sind also die beiden Schlagworte die eine Dōjō-Atmosphäre bestimmen. Hierfür ist die Senpai-Kōhai-Beziehung ein wichtiges Vehikel auf der langen und beschwerlichen Reise durch die Kampfkünste. Richtig gelebt garantieren sie für alle eine produktive und effektive Lernumgebung.

In welcher Rolle bewegst du dich im Moment? Ist dir diese Rolle überhaupt klar? Achte beim nächsten Keiko einfach mal darauf und versuch dich aktiv einzubringen. Oder lass uns in der Kommentarsektion ein wenig darüber sprechen.

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