Shoshin Nagamine und Chojun Miyagi, die Begründer von Shorin und Goju Ryu Karate.

Koryu Uchinadi Chokyu-Gata

Der Name „Chokyu“ setzt sich aus zwei unterschiedlichen Kanji zusammen. An erster Stelle haben wir長 (jap. „Cho“). Dies ist die alternative Aussprache (On-Lesung) des Schriftzeichens für „Naga“, wie in Nagamine Shoshin (1907 – 1997) der Begründer des Matsubayashi Shorin-Ryu. An zweiter Stelle steht das Kanji 宮 (jap. „Kyu“). Auch hier handelt es sich wieder um die On-Lesung des Schriftzeichens „Miya“, wie in Miyagi Chojun (1888 – 1953), welcher heute als Begründer des Goju-Ryu bekannt ist.

Diese beiden Namen werfen uns an dieser Stelle unweigerlich in die Geschichte zurück und führen uns zu einem Formen-Zweigestirn, welches auch heute noch im Goju- und Matsubayashi-Shorin-Ryu vertreten ist. Die Rede ist von den beiden Kata Gekisai Dai Ichi (撃砕大一) und Gekisai Dai Ni (撃砕大二), im Matsubayashi-Ryu auch als Fukyu-Gata Ichi und Fukyu-Gata Ni bekannt.
Auch wenn Miyagi (Vertreter des Naha-Te) und Nagamine (Vertreter des Shuri-Te) zwei unterschiedlichen Karate-Strömungen angehörten, so ist die Entwicklung der beiden oben genannten Kata dennoch eng mit diesen beiden Personen verbunden. So war es Nagamine, der die Fukyu-Gata Ichi als Anfängerkata des Matsubayashi-Ryu entwickelte. Miyagi übernahm diese Form ins Goju-Ryu und nannte sie dort Gekisai Dai Ni. Mit dieser Kata als Vorbild entwickelte Miyagi wiederum die Gekisai Da Ichi und fügte dieser spezifische Charakteristika des Naha-Te hinzu. Nagamine übernahm diese Form wiederum als Fukyu-Gata Ni ins Matsubayashi-Ryu. Somit sind die beiden Formen nicht nur durch diese beiden Namen eng miteinander verbunden, sondern schlagen auch gleichzeitig eine Brücke zwischen Shuri- und Naha-Te und den damit einhergehenden Prinzipien Muchimi und Mochimi.

Fukyu-Gata Ichi (Jim Sindt Sensei) Gekisai Dai Ni (Morio Higaonna Sensei)

Doch was hat das nun mit der, im Koryu Uchinadi geübten, Chokyu-Gata zu tun? Während seiner Forschungsreisen durch China erlernte Patrick McCarthy Sensei eine sehr einzigartige Partnerform des Qinna, welche unterschiedlichste Methoden des Greifens, Hebelns und Blockierens beinhaltete. Interessant daran ist, dass dieses Partnerset eine große Zahl an Sequenzen enthält, die auch Bestandteil im, noch heute geübten, Gekisai Dai Ichi Partner-Drill sind. Tiefergreifende Forschungen ergaben, das diese Partnerform dem Monk-Fist-Boxing entstammt. Wie wir heute wissen, erlernte Miyagi Chojun das Monk-Fist-Boxing im Jahr 1936 bei Miao Xin (1881 – 1939) an der Chin Wu / Jing Mo Associaton in China. Aufgrund der vorhandenen Ähnlichkeiten scheint es also durchaus möglich, das Miyagi diese Partnerform als Grundlage für die Entwicklung der Gekisai Dai Ichi verwendete.

Beim Versuch aus der Monk-Fist-Partnerform eine Solo-Form zu entwickeln, orientierte sich McCarthy daher sehr stark an den geometrischen Konfiguration von Miyagi und Nagamine und kombinierte dies mit der Step-&-Slide-Fußarbeit des Southern-Style Monk-Fist-Boxing sowie der vibrierenden Körperarbeit (Tai-Sabaki) des Yamane-Ryu Kobu-Jutsu. Hinzu kommen weitere Änderungen, wie etwa die Zusammenführung von Uchi-Uke und Kakewake-Tsuki aus Gekkisai Dai Ichi mit dem Kake-Uke und Mawashi-Uke aus Gekisai Dai Ni in eine einzige Form. Diese modifizierte Version kommt nun auch dem Vorbild des chinesischen Partnerdrills sehr nahe. Auch wenn sie dem Gekisai-Partner-Drill des Goju-Ryu nun sehr ähnelt bietet sie dennoch ein viel größeres Spektrum an Funktionalität und Realismus.

Gekisai Dai Ichi Renzoku Bunkai (Morio Higaonna Sensei) Koryu Uchinadi Chokyu-Gata Futari Geiko (Patrick McCarthy Sensei)

Aufgrund der tiefen Verbindung zu den Gekisai- / Fukyu-Gata war es McCarthy wichtig, sowohl Nagamine, als auch Miyagi zu ehren indem er die Kata Chokyu nannte. Hier bediente er sich derselben Methode, die auch schon Mabuni Kenwa anwandte indem er sich zwei Schriftzeichen aus den Namen Miyagi und Higashionna nahm und daraus den Namen Shito-Ryu bildete.

Interessant ist an dieser Stelle noch, dass die Re-Interpretation der Gekisai-Gata sich auch in anderen Unterströmung des Goju-Ryu großer Beliebtheit erfreut. Zu nennen sei hier z. B. Taira Masaji (geb. 1952), ein Schüler von Miyazato Eiichi (Schüler von Goju-Begründer Miyagi Chojun) und Leiter der Okinawa Goju-Ryu Kenkyu Kai, welcher heute weltweit für sein Gekisai-Renzoku-Bunkai bekannt ist. Es handelt sich hierbei um eine Re-Interpretation der klassischen Gekisai-Partnerform die sich durch eine fortlaufende, flüssige Ausführung auszeichnet und den Fokus auf das Finden von Ausgängen zu jedem beliebigen Zeitpunkt legt.

Gekisai Dai Ichi (Taira Masaji Sensei) Gekisai Dai Ichi Renzoku Bunkai (Taira Masaji Sensei)
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